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„Die Zukunft ist Gegenwart“

13.9.2019

Am 12. August fand in Wien ein „Austrian Roadmap 2050 Future Talk“ zum Thema „Gas in der Mobilität“ statt. Die in Zusammenarbeit mit OMV und Porsche Holding abgehaltene Veranstaltung umfasste drei Panels, die vom Motor-affinen TV-Star Christian Clerici moderiert wurden.

Evolution vs. Revolution

Im ersten Panel hatte Theresia Vogel (GF Klima- und Energiefonds) erwartbar hohe Erwartungen: Langfristig wolle man „fossilfrei“ sein, allerdings seien bis dahin große Umbrüche zu erwarten, deren Verlauf im Wettstreit der Konzepte noch offen sei. Vogel sieht zwar „kurzfristige Gewinne“ durch emissionsärmeres CNG und LNG, äußerte aber eine Vorliebe für „radikale“ Lösungen und sieht vor allem im Schwerverkehr Platz im Tank für Gas. Sie setzt da freilich auf Bio-Gase: „Wenn wir von Gas reden, reden wir von grünem Gas.“ Weniger „radikal“ denken Vertreter betroffener Unternehmen: Für „Evolution statt Revolution“ plädierte Michael Sattler (Head of Future Energy, OMV). Seine Firma muss nicht nur „alles“ im Portfolio haben, sondern auch auf unterschiedliche technologische und letztlich finanzielle Möglichkeiten in verschiedenen Ländern Rücksicht nehmen. Entsprechend schwierig wird es mancherorts sein, teure E-Autos zu kaufen oder zu laden. „Monokulturen waren nie eine gute Lösung“, schlug Wolfgang Wurm (GF Porsche Austria) in eine ähnliche Kerbe. Viele technologisch unterschiedliche Modelle werden Teile der Lösung sein, „der Strauß wird bunter.“

CNG-Praktiker überzeugt

Im 2. Panel ging es um CNG (komprimiertes Erdgas) als Lösung für den öffentlichen Personennahverkehr – eine Lösung, die die Wiener Linien in einem überraschenden Schritt zurück zum Diesel nicht anerkannt hat. Ihr Vertreter Gerhard Siegl (Leiter technische Betreuung Busflotte) erklärte ihn mit dem hohen Energieaufwand für die Betankung. Allerdings werde man langfristig für große Busse auf Wasserstoff setzen. Ganz andere Beurteilungen fanden Unternehmer, die tatsächlich mit CNG arbeiten: Ludwig Richard (GF Dr. Richard) betreibt in Salzburg seit mehr als 10 Jahren eine Flotte von über 40 CNG-Bussen, die auch mit Biogas betankt werden, sowie eine Gastankstelle. Er sieht keinerlei „betriebliche Nachteile“ und derzeit auch keine verfügbare Alternative für wirtschaftliche Emissionssenkung, weniger Lärm und Vibrationen im ÖPNV. Allerdings glückte ihm eine „Win-Win-Situation“ mit dem Kooperationspartner Salzburg AG, die man anderswo nicht finde. Denn es bedürfe schon einer „gewissen Förderlandschaft“ – und zurzeit wird die Anschaffung neuer Busse nicht gefördert.
Nur etwas anders ist die Situation in Deutschland für Klaus Röder (Leiter der Fahrzeugflotte, Stadtwerke Augsburg). Man bekomme für einen Gasbus 10.000 € an Förderung, während der Kauf eines Elektrobusses mit 300.000 € gestützt werde. Dadurch entstehe volkswirtschaftlicher Schaden, die nötige Technologie ist da und „die Zukunft ist bereits Gegenwart“. Denn „seine“ (ca. 90) Busse befahren Augsburg nicht nur 8-900.000 km störungsfrei, sondern auch fast klimaneutral – sie werden seit 2011 mit Biomethan betankt. Franz Weinberger (Marketing/Kommunikation, MAN) berichtete, dass seine Firma 5-600 CNG-Busse pro Jahr verkaufe und diese Technologie mit klaren Klimavorteilen die einzige marktreife neben Diesel ist.

LNG derzeit alternativlos

Die 3. Runde beschäftigte sich mit LNG (flüssiges Erdgas) zur Schadstoffreduktion im Güterverkehr. Hier herrschte Einigkeit bezüglich Sinn und Verfügbarkeit dieser Technologie. Allerdings sind für Christian Höllinger (Head of Downstream LNG – Road Europe, Shell) die Rahmenbedingungen von Land zu Land unterschiedlich, und die TCO (Total Cost of Ownership) „muss passen“. Wo dies der Fall ist, orte er „sehr, sehr großes Interesse“. Dazu sei in einem zweiten Schritt Bio-LNG beliebig beizumischen, was bei Biodiesel nicht möglich ist. Bernd Höllerer (Gas Business Manager, Iveco) betonte aber auch die Vorteile im „fossilen“ Betrieb. Mit herkömmlichem LNG betankt spare man 15-20 % an CO2-Emissionen gegenüber einem Euro 6-Diesel bei Reichweiten bis zu 1.600 km. Es sei also eine „saubere, leise, wirtschaftliche Lösung“, die sofort einsetzbar ist. Man müsse „heute nutzen, was möglich ist“. Auch Uwe Fip (Senior Vice President Gas Supply and Origination, Uniper) sieht LNG als „Treibstoff der nächsten Jahrzehnte“. Wasserstoff-Alternativen brauchen Entwicklungszeit und seien noch zu teuer, LNG hingegen eine „proven technology“. Ähnlich formulierte Alexander Klacska (WKO-Bundesspartenobmann & Unternehmer): „LNG ist ein business case“, eigentlich gebe es für LKW gar keine Alternative. Allerdings seien für Unternehmen Planung und Sicherheit wichtig.

Was kommt – und warum (nicht)

Zu den Rahmenbedingungen wollte fast jede(r) etwas beitragen. Theresia Vogel wies darauf hin, dass die technischen Fortschritte der letzten Jahre gerade auf Regelungen wie die Luftreinhalte-RL zurückgehen. Wolfgang Wurm bestätigte zwar, man brauche „einen klaren Zielkorridor“, doch solle man seitens der Politik „nicht Technologien vorschreiben“. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann es schnell gehen: In Italien verkauft der VW-Konzern „jedes zweite Auto als CNG“. Christian Höllinger erinnerte daran, dass es etwa darauf ankomme, wofür Biogas gefördert werde. Wenn das die Verstromung ist, wird es eng für Biogas als Treibstoff. Alexander Klacska will nicht nur irgendwelche Regeln: „Politik muss gute Rahmenbedingungen machen“. Man brauche Förderungen wie in Deutschland, denn man bekomme zwar solche für einen Wasserstoff-LKW, „den kann ich aber nicht kaufen“. Und mit welcher Flotte man 2030 fährt, könne man nicht 2029 regeln. Moderator Clerici fragte, wie es zu solchen Absurditäten kommt. Klacska: „Die Politik ist genauso verunsichert wie Kunden und Unternehmer.“ Man solle aber Technologien nicht vernachlässigen, nur weil sie vielleicht später von anderen überholt werden. Denn man muss sich auch fragen, was man Kunden zumuten will. Schließlich sind Transportkosten in jedem einzelnen Produkt enthalten.

Blue Corridor Rally mit Wien-Stopp

Die von Gazprom und Uniper organisierte Blue Corridor Natural Gas Vehicles Rally 2019 war Anlass für die Veranstaltung, denn sie machte in Wien Station. Dabei fährt ein Konvoi 5.200 km von Istanbul (wo TurkStream endet) bis ins deutsche Greifswald (wo Nord Stream 2 anlandet). Dort wird virtuell an Russland übergeben, wo Gasmobile wieder 2.745 km bis zum Beginn der TurkStream fahren. Sinn der Sache ist, Bewusstsein für die Verfügbarkeit von Gasfahrzeugen zu schaffen – aber auch für die Notwendigkeit von Korridoren mit CNG-/LNG-Versorgung.

Text: Christian Fell

 

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