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Seat plant weiter mit neuen CNG Modellen

3.7.2020

Andrew Shepherd, Verantwortlicher für CNG bei Seat, spricht im Exklusivinterview mit gaz energie über Herausforderungen bei der Entwicklung von CNG-Fahrzeugen und verrät Details zu den neusten CNG-Modellen der Spanier.

Bedauern Sie, dass sich der Volkswagen-Konzern aus der Entwicklung der CNG-Antriebe zurückzieht?

Andrew Shepherd:
Nein, das tun wir nicht. Der Volkswagen-Konzern hat angekündigt, sein Engagement fürs Pariser Klimaabkommen von 2050 zu bekräftigen und durch die Entwicklung einer beispiellosen Reihe von emissionsfreien Elektromodellen die CO2-Emissionen so effizient wie möglich zu reduzieren. Aber diese Verpflichtung, die Seat voll und ganz unterstützt, bedeutet nicht, dass wir uns aus dem CNG-Markt zurückziehen. Genauso wenig, wie sie bedeutet, dass wir uns auch von anderen Verbrenner-Antriebstechnologien abwenden. Aus diesem Grund werden Benzin-, Diesel- und CNG-angetriebene Fahrzeuge auch in den kommenden Jahren Teil des Angebots bleiben.

Was bedeutet das für die CNG-Modellpalette bei Seat?

Andrew Shepherd:
Seat bietet seinen Kunden eine sehr breite Palette von CNG-Personenwagen an. Das werden wir mit der kürzlichen Einführung neuer CNG-Versionen, wie unserer 4. Generation des Leon und des Leon Sportstourer als TGI, auch weiterhin tun. Diese neuen Modelle sind ein Beweis für das Engagement von Seat, unseren Kunden die breiteste Palette effizienter Antriebstechnologien anzubieten, die nicht nur CNG, sondern auch Benzin-, Diesel-, Mildhybrid-, Plug-in-Hybrid- und batterieelektrische Fahrzeuge umfasst. Nur so können wir sicherstellen, dass jeder einzelne Seat-Kunde den idealen Antrieb findet, der seinem Lebensstil und seinen Marktbedingungen entspricht.

Welche Chancen und Einsatzmöglichkeiten sehen Sie für CNG noch?

Andrew Shepherd:
CNG ist sowohl für Flotten- als auch für Privatkunden eine ideale Option, da es eine unschlagbare Kombination aus niedrigen Betriebskosten und beeindruckender Ökobilanz darstellt. Das bringt der CNG-Technologie in Spanien ein Eco-Label und auf den europäischen Märkten die Einteilung in eine hohe Effizienzklasse. Solche Eco-Ratings verschaffen der CNG-Technologie einen wichtigen Zugang zu den Innenstädten an Tagen, an denen Luftgrenzwerte erreicht werden und für andere Antriebsvarianten Fahrbeschränkungen oder -verbote gelten. Und wenn man bedenkt, dass ein Fahrzeug mit CNG-Technologie in der Anschaffung nicht mehr kostet als ein gleichwertiges Fahrzeug mit Dieselmotor, dann zahlen sich die tiefen Betriebskosten der CNG-Fahrzeuge von Anfang an aus. Aber die vielleicht grösste Chance für die CNG-Technologie ist die Tatsache, dass der Treibstoff, mit dem sie betrieben wird – Methangas – aus vollständig nachhaltigen und erneuerbaren Quellen gewonnen werden kann. Das bedeutet, dass in einer nicht allzu fernen, fossilfreien Zukunft, die CNG-Technologie vollständig kompatibel ist mit Treibstoffen, die keinen fossilen Ursprung haben.

Mit dem Seat Leon und dem Seat Leon Sportstourer kamen soeben zwei neue CNG-Modelle auf den Markt, was zeichnet diese aus?

Andrew Shepherd:
Diese neuen Modelle sind die technologisch fortschrittlichsten Serienmodelle, die Seat in seiner 70-jährigen Geschichte produziert hat. Sie basieren auf der neuesten Generation der MQB-Plattform, die ein neues Niveau an Fahrerassistenz, Sicherheit, Komfort und Konnektivität ins Kompaktsegment bringt. Dieses gesamte Technologie-Paket wird bald mit dem unglaublichen, 130 PS starken 1,5-Liter-TGI-Motor verfügbar sein, der entweder mit einem manuellen oder einem DSG-Getriebe gekoppelt ist. Diese Modelle bringen die CNG-Technologie wirklich auf ein ganz neues Niveau.

Was sind die grössten Herausforderungen bei der Entwicklung, aber auch der Produktion von CNG-Fahrzeugen?

Andrew Shepherd:
Die vielleicht grösste Herausforderung bei der Entwicklung eines CNG-Fahrzeugs ist die Gewährleistung einer ausreichenden Gasspeicherkapazität, um dem Fahrzeug eine ausreichende Reichweite beim Betrieb mit CNG zu geben, ohne den grosszügigen Gepäckraum, den ein Kompaktwagenbesitzer erwartet, übermässig zu beeinträchtigen. Wie bei jedem Treibstoff im gasförmigen Zustand ist die Energiedichte niedriger als bei einem flüssigen Treibstoff. Das bedeutet, dass das Volumen eines CNG-Tanks bei einem gegebenen Energiegehalt grösser ist als das eines Flüssigtreibstofftanks. Wir teilen das gesamte Gasvolumen auf drei Unterflur-CNG-Tanks auf, um eine Reichweite von etwa 450 Kilometern zu erreichen. In Märkten, die über eine gute CNG-Tankinfrastruktur verfügen, ist die CNG-Reichweite möglicherweise kein so kritisches Thema. Aber in anderen Ländern, wie beispielsweise Spanien, ist die Zahl der CNG-Tankstellen noch relativ gering. Das bedeutet, dass wir genügend CNG-Reichweite zur Verfügung stellen müssen, um von einer Station zur nächsten zu fahren. Obwohl wir die Reichweitenangst beseitigen, indem wir das Auto mit einem zusätzlichen kleinen Benzintank ausstatten, mit dem man sein Ziel immer erreichen kann, möchte der Besitzer eines CNG-Autos ja stets die Vorteile des Fahrens mit CNG nutzen. CNG-Autos werden auf derselben Produktionslinie wie die übrigen Modelle gebaut und stellen bei der Produktion keine besonderen Herausforderungen dar. Sie werden nach den gleichen anspruchsvollen Standards entworfen, entwickelt, homologiert und gebaut wie jedes andere Seat-Modell, obwohl sie eine schöne Überraschung für den Kunden bereithalten. Bei den abschliessenden Qualitätskontrollen im Werk wird jedes Auto mit CNG befüllt, um die Dichtigkeit des Hochdrucksystems zu überprüfen. CNG-Autos sind somit die einzigen Modelle, die wir mit einem vollen Tank an den Endkunden liefern.

Seat hat auch eine Sportmarke – Cupra. War ein CNG-Cupra nie ein Thema?

Andrew Shepherd:
Die CNG-Technologie richtet sich an jene Kunden, die eine wirtschaftliche, ökologische Alternative in einem Paket fordern, das den neuesten Standard von Komfort, Sicherheit und Technologie bietet. Der Technologieansatz von Cupra basiert auf elektrisch betriebenen Hochleistungsantrieben: Cupra startete seinen Weg zur Elektrifizierung 2020 mit drei Hybridautos: dem Cupra Formentor, dem Cupra Leon und dem Cupra Leon Sportstourer. Darüber hinaus ist der Cupra e-Racer ein Auftakt für das Engagement der Marke für elektrische Rennwagen. Der e-Racer ist der erste 100% elektrische Tourenwagen-Renner der Welt.

Viele Verbrenner werden hybridisiert oder zumindest mit 48-Volt-Bordnetz ausgerüstet. Ist das auch für CNG-Modelle (noch) angedacht?

Andrew Shepherd:
48-Volt-Fahrzeugsysteme haben den Vorteil, dass sie die Emissionen von Verbrenner-Motoren auf ein Niveau senken, das es ihnen ermöglicht, sich für ein Eco-Label zu qualifizieren. Aber die CNG-Technologie profitiert bereits von geringeren Emissionen, die dem Fahrzeug eine hohe Effizienz verleihen. Die Hinzufügung eines 48-Volt-Systems würde das Gesamtfahrzeug komplizieren und verteuern, ohne zusätzliche Vorteile für den Besitzer zu bieten.

Allradantrieb in Kombination mit CNG-Antrieb ist bis jetzt kein Thema – wieso eigentlich nicht? Wäre eine Elektrifizierung einer Achse und so phasenweiser E-Allradantrieb nicht denkbar?

Andrew Shepherd:
Ich erwähnte bereits die Herausforderung, genügend CNG-Speicherkapazität mit einer guten Gepäckkapazität zu kombinieren. Nun stellen Sie sich vor, wie herausfordernd es wäre, noch weiter zu gehen, indem auch ein 4Drive-System in das TGI-Paket integriert wird.

Seat setzt sich ja nicht nur bei den Modellen für den Gas-Antrieb ein, sondern hat auch das Life Landfill Biofuel Project lanciert. Worum geht es dabei?

Andrew Shepherd:
Das Projekt Life Landfill Biofuel ist ein weiterer Schritt im Rahmen des Engagements von Seat zur Förderung der Produktion, Entwicklung und Verfügbarkeit von Biomethan in Treibstoffqualität aus alltäglichen organischen Abfällen. Die Ziele des Projekts sind klar:

  1. Die Gewinnung eines qualitativ hochwertigen Biotreibstoffs aus den schwierigsten Abfallquellen – aus der Art von kommunalen Deponien, die heute noch existieren, aber stark eingeschränkt werden, wenn die Ziele der EU-Gesetzgebung in Kraft treten.
  2. Die Wirtschaft zu einem immer zirkuläreren Modell zu bewegen, damit sie den Abfall recycelt und wiederverwendet. Seats Rolle in diesem Projekt besteht darin, unsere CNG-Technologie mit dem so gewonnen Biotreibstoff bei Langstreckentests unter verschiedenen städtischen, ausserstädtischen sowie Autobahnbedingungen zu überprüfen.

Und was ist aus dem Projekt zusammen mit Aqualia geworden, wo Seat in der Kläranlage im südspanischen Jerez de la Frontera aus Abwasser erneuerbaren Biotreibstoff herstellte?

Andrew Shepherd
Das Smart-Green-Gas-Projekt in Jerez de la Frontera war das erste unserer kollaborativen Waste-to-Gas-Biomethan-Projekte. Es gab uns einen enormen Einblick in das Potenzial alltäglicher Abfallrückstände als Grundlage für automobile Treibstoffe. Obwohl das Projekt 2018 abgeschlossen wurde, verbleibt die Aufbereitungsanlage weiter in der Kläranlage und wird nun zur Betankung der CNG-Flotte von Aqualia in Jerez verwendet. Ein perfektes Beispiel dafür, wie ein Forschungsprojekt Partner zusammenbringen kann, um eine Idee umzusetzen, die zu einer dauerhaften, nutzbaren Realität wird. Die Abwässer von Jerez sind nun zu einer wertvollen Quelle von nachhaltigem, fossilfreiem Biobrennstoff für die dort betriebene CNG-Fahrzeugflotte geworden und tragen so zur steigenden Nachfrage der Gesellschaft nach einer Kreislaufwirtschaft und emissionsneutraler Mobilität bei.

Quelle: gaz energie, Schweiz

 

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